· Pressemitteilung

„Siamo tutti fratelli“ – ein Ruf aus Castiglione delle Stiviere

Ein Beitrag von Werner Dicke, Konventionsbeauftragter des DRK-Kreisbandes Hildesheim, für die Zeitschrift IL PONTE der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Hildesheim e.V.

Der schwül-heiße Tag des 24. Juni 1859 endete mit einem Gewitter über einem der verlustreichsten Schlachten des 19. Jh. Mehr als 40.000 Opfer waren im Einigungskrieg Italiens zu beklagen, die meisten Verwundeten verendeten ohne Hilfe auf den Feldern von Solferino, südlich des Gardasees. Ein Genfer Kaufmann, namens Henry Dunant, unterwegs zu einer Audienz bei Kaiser Napoleon III., sah das Elend, organisierte Hilfe und sorgte für Linderung soweit er konnte. Dabei machten die samaritanisch tätigen Frauen vom nahegelegenen Castiglione beim Versorgen, Verbinden und Trösten keinerlei Unterschied zwischen Freund und Feind – siamo tutti fratelli, wir alle sind Brüder. 
     
Die Erlebnisse auf den verwüsteten blutgetränkten Äckern ließen Henry Dunant nicht los. Wie kann man Menschen, die für Gott und Vaterland kämpften, derart im Stich lassen? Er schrieb ein kleines Büchlein, das 1862 zum Bestseller in bürgerlichen und regierenden Kreisen wurde: Eine Erinnerung an Solverino.  Darin schildert Dunant eindringlich den bitteren Preis des Ruhmes und forderte die zivilisierte Welt auf, Hilfsgesellschaften zu gründen sowie unter einheitlichem Zeichen unterschiedslos für Kriegsversehrte zu sorgen. Nach einer Vorkonferenz in Genf schlossen zwölf Staaten am 22. August 1864 die sog. Erste Genfer Konvention zum Schutz der Verwundeten im Krieg und des Sanitäts- und Hilfspersonals. Sie einigten sich unter dem Zeichen des Roten Kreuzes auf weißem Grund, das später von muslimischen Verbänden unter dem Symbol des Roten Halbmonds eine wichtige Ergänzung erfuhr. 
     
Überall in der Welt folgten die Menschen diesem Ruf des Genfers aus Nord-Italien, schufen Hilfsvereine und erweiterten deren Aufgaben auch für die Linderung von Armuts- und Katastrophenfolgen. Hildesheimer Bürger schlossen sich bereits 1868 dieser weltweiten Bewegung an. Bis heute sind Hildesheimer Helfer Partner beim nächtlichen Fiaccolata, dem Fackellauf von Solferino nach Castiglione im heißen Juni der Po-Ebene, ein Licht der Hoffnung und Menschlichkeit in Zeiten wachsender Bedrohung.

Am 16. August 2025 feierte der Kreisverband des DRK Hildesheim die offizielle Einweihung des neuen Zentrums für Bevölkerungsschutz in der Louise-Cooper-Str. 1. Von Suppenküche und Stromerzeugung, von Weltfunkern bis Rettungsdrohnen und Katastrophenschutzfahrzeugen zeigten sie breite Kompetenz und fähige Bereitschaft: Hand in Hand geleistet von Ehren- und Hauptamtlichen im Geist und Zeichen des Roten Kreuzes.   
     
Wie würde wohl Henry Dunant, der erste Friedensnobelpreisträger, die Stärkung unserer inneren Resilienz durch Zivil- und Katastrophenschutz beurteilen?